Freiwillige Feuerwehr Schneidlingen von 1893

Einleitung

 

   Die Industrialisierung Deutschlands in der Zeit nach dem Deutsch-Französischen Kriege 1870/71 brachte die Notwendigkeit örtlicher Feuerwehren mit sich.

   In den größeren Städten bestanden solche Einrichtungen schon seit langem. Die preußische Regierung in Berlin gab im Jahre 1724, am 24.Mai, erstmalig eine sogenannte

 

Neue Feur=Ordnung

In dem Fürstenthum

Halberstadt“

 

heraus.

   Ende des 19.Jahrhunderts schossen auch in den kleineren Ortschaften der damaligen preußischen „Provinz Sachsen“ – dem ehemaligen bischöflichen Fürstentum Halberstadt (wozu auch Schneidlingen gehörte) – zahlreiche Gruben und Bergwerke aus dem Boden; Eisenbahnlinien wurden eröffnet und allerorts Fabriken gebaut.

   Fast alle diese Einrichtungen verfügten schon damals über eigene „Feuermannschaften“, die meistens zur Belegschaft gehörend – im Falle eines Brandes zur Stelle waren.

   Doch auch die Einwohner der umliegenden Dörfer benötigten mehr und mehr dieses Schutzes.

   Genügten zuvor der örtliche Nachtwächter, der die Einwohnerschaft im Falle eines nächtlichen Brandes benachrichtigte, und einige Wassereimer und Feuerhaken, die jeder Hofbesitzer bereitzuhalten hatte, so rückte nun die geregelte Brandbekämpfung und besonders die vorsorgende Brandverhütung in den Vordergrund.

 

Die Gründung

 

   Am 18.November des Jahres 1893 traten dann auch erstmalig in unserem Orte einige Herren zusammen und gründeten die

„Freiwillige Feuerwehr Schneidlingen“

   Leider ist uns kein Gründungsprotokoll erhalten geblieben, doch kann man anhand des Kassenbuches, welches 1894 begonnen wurde, auf die damaligen Mitglieder schließen.

   Die Satzungen der Feuerwehr wurden am 13.April 1894 von den Kameraden Brandmeister Wilhelm Ziege, dessen Stellvertreter Hermann Engelmann sen., dem Schriftführer Ernst Behrenroth sowie den Oberfeuermännern Otto Märtens und Friedrich Saft unterzeichnet.

   Am 23.Mai 1894 bestätigte der Kreisdeputierte von dem Busche in Vertretung des Königlichen Landrates zu Quedlinburg dieselben.

 

Die Gründungsmitglieder

 

Zu den – wahrscheinlichen – Gründungsmitgliedern sind zu zählen (in alphabetischer Reihenfolge): 

Karl Achatz

Ernst Behrenroth

Heinrich Behse

Friedrich Bergholz

Karl Brandt

Friedrich Dannenberg

Hermann Eggeling sen.

Karl Eltze

Hermann Engelmann sen.

Hermann Fleischmann

Karl Frohböse

Ernst Gantz

Wilhelm Hamann

....... Hauer

Friedrich Hartkopf

Heinrich Hille

Friedrich Hille

Gustav Jahns II.

......... Jahns

G. Jahn

Hermann Kämpfer

Friedrich Kasten

Robert Klingenberg

Friedrich Klusmann

Karl Lehmann

Karl Liebke

Otto Mertens

Wilhelm Mertens

Gottlieb Meyer

Albert Miehe

Hermann Miehe

Walter Pielert

Friedrich Saft

Wilhelm Schiele

Karl Schild

David Schnabel

Heinrich Schröder

Friedrich Trappe

Wilhelm Ziege.

 

Dazu kamen im April 1894:

 

Hermann Becker

Karl Stein

 

im November:

 

Friedrich Gödde

 

und im Dezember:

 

Hermann Engelmann jun.

Hermann Achatz

Wilhelm Schäfer.

 

so das die Wehr am Ende des Rechnungsjahres 1894 insgesamt 42 aktive Feuerwehrleute zählte, wozu noch 62 inaktive (also beitragszahlende) Mitglieder kamen, die die Feuerwehr durch einen jährlichen Beitrag von 3 Mark unterstützten. Diese gehörten dem „Rettungs-Feuerwehr-Verein“ an.

 

1894 – 1945

 

   Als erster Wehrleiter fungierte der Brandmeister Wilhelm Ziege. Der anfängliche Monatsbeitrag für die aktiven Feuerwehrmänner betrug 10 Pfennig. Blieb ein Mitglied unentschuldigt einer Übung fern, so wurde ihm eine Strafe von 25 Pfennig auferlegt. Amtsrat Michels steuerte der Wehr 1894 sogar 100 Mark bei; später jährlich 15 Mark.

   Im September 1894 wurde für den Preis von 4,40 Mark ein Vereinsstempel angeschafft. Auch eine Feuerwehrzeitung gab es damals schon: den „Norddeutschen Feuerwehrmann“, der im Januar 1895 für monatlich 5,05 Mark abonniert wurde. In diese Zeit fiel sicherlich auch die Anschaffung der Vereinsfahne, die leider seit den 50er Jahren des 20.Jahrhunderts verschollen ist.


 

Dieses undatierte Foto könnte den Wehrleiter Wilhelm Ziege (unten links) und die Mitglieder der Leitung zeigen.

 

   Aber auch an die Gründung des Vereins dachte man. Schon im November 1895 wurde das erste Stiftungsfest der Feuerwehr organisiert, welches traditionell bis heute im genannten Zeitraum durchgeführt wird. Für die musikalische Umrahmung sorgte dabei (und in den folgenden Jahren) der Kapellmeister Hund aus Egeln. Zu diesem Zwecke wurden 65 Mark verauslagt.

   Der Jahresabschluß wies 42 aktive und 55 inaktive Mitglieder auf. Interessant hierbei ist die Inventur der Schneidlinger Feuerwehr. So verfügte sie über:

 

  1. 1 Gemeinde-Spritze mit Zubehör

              50 m Schlauch

              5 ½ Paar Doppel-Verschraubungen

              1 kupfernes Strahlrohr

 

  1. 41 Anzüge, davon fielen 5 auf Chargierte (Offiziere)

41 Feuerwehrhelme, davon 5 auf Chargierte

 6 Steigergürtel

 6 Steigerleinen

 6 Steigerbeile

 6 Feuerwehrlaternen in Händen der Steiger

10 Signalpfeifen mit Ketten, davon fielen 4 auf Chargierte

29 Feuerwehrgürtel

 5 Offizier-Koppel mit 5 Beilen

 

  1. 6 Fackeln

16 rote Armbänder, im Besitz der Rettungsmannschaften

 1 Schlauchsattel

 2 Schlauchhalter

 2 Schlauchbinder

 6 neue Feuerwehreimer

 

  1. 1 geschriebenes Satzungsexemplar

100 Stück gedruckte Satzungen der freiwilligen Feuerwehr

42 Stück in Händen der Feuerwehrkameraden

 

  1. 1 Vereinsstempel

 

   Am 27. Februar 1896 fand dann erstmalig das sogenannte 2. Wintervergnügen der Feuerwehr statt, wobei der Kapellmeister Arndt für die Musik sorgte. Auch wurden damals Theateraufführungen dargeboten. Die Vereinsfeste fanden traditionsgemäß auf dem Saal der Gastwirtschaft des Kameraden Ernst Behrenroth statt. Dabei wurden sogenannte „Tanzbänder“ verkauft.

   Der bisherige Wehrleiter Wilhelm Ziege wurde im Jahre 1898 durch Karl Achatz abgelöst.

   Im Jahre 1900 wurde der Steigerturm erbaut. Für die Maurer- und Erdarbeiten, inklusive der Anker und Klammern sowie für das sonstige Material wurden 95,66 Mark verauslagt. Für die Tischlerarbeiten erhielt Friedrich Dannenberg 327 Mark. Von dem Gesamtbetrag von 422,66 Mark konnten 281 Mark durch Spenden finanziert werden.

   Weiterhin wurden im April und im Mai 1900 je ein Nebelhorn für à 4,15 Mark angeschafft. Das Geld wurde aus der Gemeindekasse zurückerstattet.

   Leider ist wenig über etwaige Einsätze der Wehr bekannt. Doch muß es 1901 auf dem Hof von Hermann Achatz zu einem Brand gekommen sein, da dort im Frühjahr sechs Kameraden als Brandwache eingesetzt waren. Ein weiterer Einsatz scheint am 22.August 1904 in Preußisch Börnecke stattgefunden zu haben, denn das Rechnungsbuch weist eine Prämie von 24 Mark des Landrates für „pünktliches Erscheinen“ auf.

 

 

   Schon damals fehlte im Anschluß an die Übungen nicht der gemütliche Umtrunk. So wurden bis zu einer ½  Tonne Bier ausgeschenkt.

   Die schon weiter oben erwähnten Satzungen wurden schließlich am 14. Februar 1905 von Brandmeister Karl Achatz, dessen Stellvertreter Hermann Engelmann und dem Schriftführer Hermann Becker unterzeichnet. Amtsrat Michels bestätigte dieselben am 2. März 1905.

 

 Als die ersten Ehrenmitglieder der Schneidlinger Feuerwehr wurden ab 1907 Wilhelm Ziege und Hermann Engelmann geführt.

   Einen erfreulichen Sprung machte der Kassenbestand der im Jahre 1908. Oberamtmann Michels spendierte der Wehr 200 Mark „für unsere Hülfe in Wassersnot“. Für die damalige Zeit eine stattliche Summe!

   Neben dem Stiftungsfest im November, dem Wintervergnügen im Februar und den Theateraufführungen wurden auch andere außerdienstliche Aktivitäten durchgeführt. So ist für Oktober 1908 auch ein „Ringkampfabend“ verzeichnet, bei welchem Bier und Zigarren angeboten wurden.

   Im Januar 1911 rückte die Wehr auf Pferdewagen zu einem Brand in Cochstedt aus. Wiederum war es Oberamtmann Michels, der der Feuerwehr aus diesem Grunde 50 Mark spendete.

   Am 27.April 1911 traf die Wehr ein schwerer Schlag. Der Brandmeister und Wehrleiter Karl Achatz erlag seinen schweren Verletzungen die er sich infolge eines Unfalls auf seinem Hof zugezogen hatte. Sein Nachfolger wurde Willy Riecke.

   Zu Ehrenmitgliedern wurden 1913 der bisherige Feuerwehrbote, der Maurer Karl Eltze, und Schneidermeister Heinrich Schröder ernannt. Den Botendienst versah von nun an Rudolf Braun.

   Als einen weiteren Einsatz verzeichnet das Kassenbuch einen Brand im November 1931 in Preußisch Börnecke.

   Die Zeit der Inflation und der Massenarbeitslosigkeit warf ihre Schatten auch auf die Schneidlinger Feuerwehr. Während Kameraden, die in Arbeit standen, monatlich 1 Reichsmark abzuführen hatten, wurde den zahlreichen Arbeitslosen ein Betrag von 50 Pfennig gewährt.

   In diesen Jahren wurden keine größeren Anschaffungen durchgeführt. Vielmehr wurden Uniformen von einheimischen Schneidern ausgebessert bzw. umgearbeitet. Auch die Ausrüstungsgegenstände wurden durch Schneidlinger Handwerker repariert. Die Wehr verfügte auch über eigene Sanitäter. Die hierfür benötigten Medikamente und Verbandsstoffe wurden ebenfalls in den örtlichen Drogerien eingekauft.

   Ein Zeitungsartikel, veröffentlicht im „Quedlinburger Kreisblatt“, berichtet von der Jahreshauptversammlung 1933:

 

Schneidlingen, 23. Januar 1933.

 

   Die freiwillige Feuerwehr hielt ihre Jahreshauptversammlung ab. Brandmeister Zimmermann hielt einen Vortrag über Aufbau und Löschwesen der Feuerwehren. Aus dem Jahres- und Tätigkeitsbericht ist zu bemerken, daß unsere Wehr aus 53 aktiven und 39 passiven Mitgliedern besteht. Im verflossenen Jahre wurden acht Schulübungen, zwei Alarmübungen und eine Großübung der Wehren Schneidlingen, Cochstedt und Pr. Börnecke abgehalten. Durchweg waren die Übungen gut besucht. Eine Besichtigung der Wehr fand durch Kreisbrandmeister Winkelmann (Quedlinburg) statt. Alarmiert wurde die Wehr einmal; ein Kaffberg brannte in der Nähe des Bahnhofs, der mit seinem Funkenregen die umliegenden Grundstücke gefährdete. Der Erweiterungsbau des Spritzenhauses zwecks Unterbringung der mechanischen Feuerwehrleiter, soll ebenfalls im Frühjahr durchgeführt werden. Bisher ist von unserem Brandmeister und der Gemeindeverwaltung alles geschehen, um eine gut ausgebildete Wehr zum Schutz unseres Ortes zu erhalten. Anschließend fand Appell in der Dienstuniform und Ausrüstung statt, der zur Zufriedenheit ausfiel. Hierauf erfolgte die Rechnungslegung. Kassenwart Karl Bense gab den Kassenbericht. Der Einnahme von 613,06 RM. steht eine Ausgabe von 345,15 RM. gegenüber, so daß ein Kassenbestand von 267,91 RM. verbleibt. Außerdem verfügt der Verein noch über ein bei der Kreissparkasse Quedlinburg hinterlegtes Sparguthaben von 123,25 RM. Die Kasse ist in bester Ordnung, dem Kassenwart wurde Entlastung erteilt. Dann wurde die Abhaltung des zweiten Wintervergnügens im Februar beschlossen. Die Reichswehrkapelle Quedlinburg soll für dieses Vergnügen gewonnen werden. Ferner wurden an die Kameraden Karl Brandt für 40jährige Dienstzeit, Otto Göllner für 25jährige Dienstzeit, Karl Bense für 20jährige Dienstzeit und Hermann Schröder für 10jährige Dienstzeit Litzen verteilt. Der Wehrmann Erwin Otto wurde zum Steiger und der Steiger Karl Mähne zum Hornisten befördert. Schließlich gab Brandmeister Zimmermann noch einen Bericht über den Kreisbrandmeistertag in Wedderstedt und betonte, daß er versuchen wolle, diesen Tag in diesem Jahre nach hier zu bekommen. Ein gemütliches Beisammensein schloß sich der Versammlung an.

 

 

Diese, ebenfalls undatierte, Aufnahme zeigt die Wehr bei einer Einsatzübung auf dem Pfarrhof.

 

   Eine Neuuniformierung machte sich im Oktober 1913 notwendig, wozu die Gemeinde 300 Mark und Oberamtmann Michels 150 Mark beisteuerten.

   Bemerkbar auch in der Feuerwehr machte sich der Beginn des 1.Weltkrieges. Von August 1914 bis 1919 wurde das Rechnungsbuch so gut wie gar nicht weitergeführt. Aus den wenigen Eintragungen geht hervor, daß Willy Riecke im Jahre 1916 als Wehrleiter zurücktrat und durch Otto Glockmann ersetzt wurde, welcher bis dahin als Stellvertreter fungierte. Dessen Amt wiederum übernahm der bisherige Bote Rudolf Braun. Als neuer Feuerwehrbote wurde nun Albert Kasten geführt.

   Von den zahlreichen aktiven Mitgliedern der Wehr, die ins Feld rücken mußten, kehrten alle – bis auf den Kameraden August Horenburg – lebend in die Heimat zurück.

   Nach Kriegsende lebte das Vereinsleben in Schneidlingen wieder auf. Zu einer guten Tradition wurde nun auch die alljährliche Kranzniederlegung der ortsansässigen Vereine zum Volkstrauertag, um der Gefallenen des Weltkrieges zu gedenken. Daran beteiligte sich natürlich auch die Feuerwehr. Die Ehrung erfolgte zunächst an der 1871 gepflanzten „Friedenseiche“ (Magdeburger Str./Bahnhofstr.) und ab circa 1922 am neuerrichteten Kriegerdenkmal auf dem Kirchplatz.

   Als nächstes Ehrenmitglied wurde ab Januar 1921 Friedrich Trappe geführt. 1933 folgte Walter Heine, der im März dieses Jahres zum Bürgermeister gewählt wurde.

 

   Das Rechnungsbuch, welches von 1894 an (außer in den Kriegsjahren von 1914 bis 1918) fast immer ordnungsgemäß und vollständig geführt wurde, endet im Jahre 1940. Im Jahre zuvor hatte der 2. Weltkrieg begonnen und alle wehrfähigen Männer standen im Felde.

   Da nun aber gerade in Kriegszeiten eine einsatzbereite Feuerwehr von immenser Bedeutung war, griff man nun auf die Jugendlichen zurück, die im „Bund Deutscher Mädchen“ und der „Hitler-Jugend“ organisiert waren. Für die Ausbildung dieser Mädchen und Jungen waren ältere Kameraden verantwortlich, wie Hermann Achatz, Karl Mähne und Otto Göllner. So zeigen die zwei folgenden Bilder die wohl erste uniformierte Frauengruppe der Freiwilligen Feuerwehr Schneidlingen Anfang der 40er Jahre des letzten Jahrhunderts.

 

   Die Bilder entstanden vor dem Hof der Familie Hottelmann. Im Hintergrund ist die Fleischerei Schröder (heute HDB) und das Kaufhaus Schröder (heute Gaststätte „Zum Auerhahn“) zu sehen. 

 

   Das es sich hierbei nicht nur um eine Gruppe BDM-Mitglieder handelt, sondern um voll integrierte Feuerwehrfrauen, beweisen die Uniformen und vor allem die Ärmelabzeichen.

 

   Hiermit endet die Geschichte der Freiwilligen Feuerwehr zu Schneidlingen 1893 – 1945.

(Stand 2003)

 

B. Klaus

 

 

Die Wehrleiter 1893 – 1946

 

1893 – 1898

Wilhelm Ziege

 

1898 – 1911

Karl Achatz

 

1911 – 1916

Willy Riecke

 

1916 – 1927

Otto Glockmann

 

1928 – 1933

Emil Zimmermann

 

1933 – (nach 1941)

Hermann Engelmann

 

Die Stellvertreter 1893 – 1945

 

1893 – 1906

Hermann Engelmann

 

1907 – 1908

Karl Schild

 

1908 – 1911

Willy Riecke

 

1911 – 1916

Otto Glockmann

 

1916 – 1919

Rudolf Braun

 

1920 – 1928

Emil Zimmermann

 

1928 – 1933

Hermann Engelmann

 

1933 – (nach 1941)

Wilhelm Göllner

 

Die Kapelle der FFW.